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Markt 2021/22: Lieferengpässe bei Sportartikeln

Die Situation ist für viele Händler, Importeure und Hersteller eine Art Super-Gau. Die Kunden strömen massenhaft in die Geschäfte und besuchen zu tausenden die Online-Shops, doch sie können nicht kaufen, oder nur das, was noch an Lager ist. Der Corona-bedingte Produktionsstillstand in Asien anno 2020 hat eine grosse Lücke in den weltweiten Lagerbestand von Millionen von Artikeln gerissen. Nun stehen Kundinnen und Kunden häufig genug vor leeren Regalen und verhandeln mit Händlern über Lieferfristen, die sich bis ins 2023 ziehen sollen.

Der Schnee fällt massenhaft, die Stimmung auf Sportferien steigt von Stunde zu Stunde, der Nachholbedarf nach Sportferien ist riesig, waren doch letzte Saison die Skigebiete in Europa dicht, und auch die Winterdestinationen sind gut für den Ansturm von Skifahrern, Snowboardern und Langläufern gerüstet. Doch wer sich noch für den Wintersport ausrüsten will, muss da oder dort leer schlucken, denn immer wieder heisst es „nicht am Lager“ oder „wird erst in ein paar Monaten geliefert“, dann wenn die Wintersaison schon wieder vorbei ist. Bei den Wintersportartikeln haben auch grosse Marken Probleme, ihre Produkte zu liefern. Besonders hart getroffen hat es das österreichische Familien- und Traditionsunternehmen Fischer Sports, denn das Unternehmen musste 2020 noch zusätzlich zur Corona Pandemie den Brand in ihrer ukrainischen Produktionsstätte verkraften, welche die Firma und ihre Produktion zusätzlich zurückwarf. Aber auch andere bekannte Marken können nicht alle Artikel liefern, gleich sei es ein Skistock, ein Skischuh oder ein Skimodell. So harzt es aktuell beim Wintergeschäft da und dort.


Bikebranche schwer betroffen
Noch schwerer ist die Fahrradindustrie betroffen. 2020 schwebten die Fahrradhersteller, -importeure und -händler geradezu im 7. Himmel. 2020 wurde gekauft, was das Zeug hielt. Die Menschen sprangen vom Massenverkehr auf den Individualverkehr um und kauften Bikes und E-Bikes, als gäbe es kein Morgen mehr. Alleine in der Schweiz verzeichnet die Velosuisse, der Verband Schweizer Fahrradlieferanten, für 2020 ein Absatzplus von sage und schreibe mehr als 40% im Vergleich mit dem Vorjahr 2019. So einen massiven Verkaufsanstieg gab es noch nie! Doch nach dem sagenhaften Verkaufsfest anno 2020, herrscht seit 2021 Katerstimmung in der Branche, denn die Velobranche bekommt deutlich zu spüren, was ein Produktionsrückstand in Asien bedeutet. Aufgrund der Lockdowns in Asien anno 2020 sind bei vielen Herstellern von Fahrradkomponenten massive Produktionslücken zu beklagen. Gleich ob beispielweise Welt-Marktführer Shimano oder sein direkter Konkurrent Sram, alle haben das Problem, dass sie mit ihren Komponenten der Nachfrage schwer hinterherhinken. An dieser Stelle zeigt sich deutlich die Gefahr einer globalen Lieferkette. Ist diese an einer einzigen Stelle auf der Welt plötzlich unterbrochen, kommt der gesamte globale Markt ins Stocken und droht sogar, komplett still zu stehen.

Die mitunter massiven Verteil-kämpfe um die restliche, verbliebene Ware und um Container, die verschifft werden, ist ein Ausdruck der spürbaren Verzweiflung des zum Erliegen drohenden Welthandels. Dass die Containerpreise bei dieser massiven Übernachfrage in die Höhe schiessen, ist zwar verständlich, macht die Situation insgesamt aber noch schwieriger für alle Beteiligten.

Ausfälle in der Produktion und die Folgen
Alleine von einem einzigen Fahrradhersteller in Europa, den wir nicht näher nennen wollen, wissen wir, das bei diesem Unter-nehmen ein Produktionsrückstand von sage und schreibe einer Viertelmillion Fahrrädern und E-Bikes besteht, weil dem Hersteller diverse Komponenten fehlen, um die Fahrräder fertigzustellen.

Angeblich sollen die 2021 bestellten Bikes erst Ende 2023 geliefert werden können. Wie will man diesen gigantischen Produktionsrückstand bloss wieder aufholen, vor allem, wenn niemand weiss, wie sich die Corona-Pandemie weiterentwickeln wird? Aktuell sind weltweit Millionen von Bikes in der Pipeline, die kurzfristig nicht ausgeliefert werden können. Der finanzielle Ausfall und die damit verbundene Belastung sind schier unerträglich.

Wenn man nur für den einen beschriebenen Hersteller rechnet, der eine 1/4 Mio. Bikes nicht ausliefern kann und dafür einfachheitshalber CHF 1’000.00 an Netto-Erlös rechnet, fehlen dem Unternehmen 250 Millionen CHF! Wer finanziert das? Und wie lange? Und nun rechnet man das auf die Branche um, auf bis zu 200 Marken (natürlich nicht alle mit solchen Dimensionen), dann sieht man schnell, dass Milliarden fehlen. Deshalb spekulieren einzelne Branchen-Insider, dass 2022 der eine oder andere Hersteller in Konkurs geraten könnte und eine gewisse Branchenbereinigung einsetzen sollte.

Doch die nationalen Unterstützungen in zahlreichen Finanzkrisen der letzten 20 Jahre lehren einen, das Ganze positiver zu sehen. Wahrscheinlich werden zahlreiche Staaten und Investoren wieder einspringen, um eine in Not geratene Firma aufzufangen, sofern Ihr Potential vielversprechend genug ist. Ich sehe daher keine grosse Konkurswelle auf die Bikebranche zurollen, wenngleich es für einzelne Betriebe sehr schwierig werden könnte und die Konkurse in der Schweiz 2020 auf die gesamte Wirtschaft gesehen Corona-bedingt angestiegen sind.

Kommt der globale Kollaps?
Die Globalisierung des Marktes hat einen globalen Fabrikations- und Handelsmechanismus in Gang gesetzt, der nun seine Schattenseiten aufzeigt. Insbesondere die Abhängigkeit von Asien rächt sich nun bitterlich. Steht ein bedeutender Standort der globalen Produktionskette still, wie in Asien wegen der Corona-Krise, kommt die gesamte globale Produktion zum Stillstehen. Das bedeutet für die Hersteller, dass sie auf Millionen von unfertigen Produkten sitzen, die sie nicht verkaufen können. Wer finanziert diesen massiven Ausfall? Für den Handel bedeutet es, dass er deutlich weniger verkaufen kann und einen massiven Umsatzverlust erleidet. Viele sprechen davon, dass 2022 eine Krise heraufbeschworen werden kann, die manch renommerierten Hersteller besonders aber kleineren weniger finanziell gepolsterten Unternehmen das Genick brechen könnte. Das ist natürlich viel Spekulation, aber die Befürchtungen sind nicht ganz unberechtigt. Wie die Sache wirklich ausgeht, weiss niemand, da ja auch niemand weiss, wie sich die Corona-Pandemie weiterentwickeln wird und ob die Staatengemeinschaft endlich ein gemeinsames Konzept entwickelt, um den schädlichen Auswirkungen der Pandemie entgegenzuwirken.

Dass Investoren die Situation positiv beurteilen, zeigt ein Blick auf den Aktienkurs der Accell-Gruppe, einem der grössten Fahrradhersteller der Welt. Zu Beginn der Coronakrise sackte der Kurs aufgrund der Unsicherheiten ab, dann erholte er sich 2020 dank des Verkaufbooms in der Fahrradbranche und nach einem Rücksetzer 2021 aufgrund der Lieferprobleme, zeigt sich der Kurs wiederholt massiv im Steigen, denn die Investoren glauben an das profitable Geschäft, sobald die Lieferengpässe überbrückt sind und die stehen ihrer Ansicht nach kurz bevor.

Globale Produktionsketten hinterfragen
Eine Krise ist immer auch eine Chance! Sie zeigt Fehler auf und motiviert Unternehmen, diese Fehler auszumerzen und sich weiter zu verbessern. Vor allem zeigt die Corona-Krise auf, dass die globalen Produktionsketten bei Bikes und Sportartikeln überdacht werden müssen. Europa darf sich nicht Asien „ausliefern“. Die Konzentration von Europa auf Asien als globale Produktionsstätte muss dringend hinterfragt werden. Die gesamte Branche benötigt einen Strukturwandel in Sachen Produktionsstandorte und Unabhängigkeit. Schon seit Jahrzehnten machen die Europäer das Spielchen mit, dass Sie auf Halbfabrikate aus Asien warten und deshalb nicht verkaufen können, wenn die Ware nicht eintrifft. Nun ist es an der Zeit, dass sich die Hersteller Europas neu organisieren und eine Produktion in Europa überlegen und konzipieren, um künftigen Krisen und Abhängigkeiten vorzubeugen.

Die Verteuerung der Sportartikel
Wo die Nachfrage gleichbleibt, das Angebot aber zurückgeht, dort steigen die Preise. Das sieht man bereits bei diversen Rohstoff-preisen, die sich bis zu 20% verteuert haben und damit auch die Herstellung von Komponenten und die Sportartikel verteuern. Man kann mit einer Preissteigerung bis zu 20% rechnen, sofern der Hersteller seine Kosten voll auf die Konsumenten umschlägt. Das tun aber nicht alle. Aus Angst, Kunden zu verlieren, heben einzelne Hersteller die Preise nur moderat an und verringern damit ihre eigene Marge. Es bleibt also abzuwarten, wie sich die Konsumentenpreise 2022 und 2023 entwickeln werden. Von einer moderaten Preisanstieg kann man sicherlich ausgehen, aber man muss nicht gleich den Teufel an die Wand malen.

Nischenplayer können jubeln
Wie immer gibt es nicht nur Verlierer, sondern auch Gewinner in der Krise. Gerade kleine Marken haben den grossen Vor-teil, von der globalen Produktionskette losgelöst zu sein und lokal und regional zu produzieren. Als Beispiel erzählte mir der verantwortliche Manager von Opera Skis in Italien, dass sie dank harter Arbeit – das bedeutet, die letzten 5 Monate 7 Tage in der Woche ununterbrochen Skier zu produzieren – voll ausgeschossen sind und sehr gut verkaufen konnten, sowohl in Europa als auch in Übersee. Sie konnten als kleiner Hersteller die Nachfrage nach ihren Produkten befriedigen. Die kleinen Hersteller haben häufig genug zu leiden, weil sie nicht das Vertriebsnetz und die Bekanntheit von grossen Marken haben. Nun haben sie für einmal einen Vorteil, weil sie produzieren und liefern können, wo grosse Marken im Verzug sind.

Ausblick
Die Corona-Krise hat die Sport-Artikel-Branche verändert und wird sie weiter verändern. Viele Menschen wünschen sich den Zustand vor der Corona-Pandemie zurück, verständlicherweise, doch den wird es nie mehr in der gleichen Form geben. Der Corona-Virus wird nicht mehr verschwinden, sondern sich weiterentwickeln und auch in Zukunft ein Teil des globalen Lebens sein. Deshalb muss man in der Produktion und im internationalen Vertrieb neu denken lernen und neue Modelle entwickeln. Man kann nicht mehr wie vor der Krise arbeiten, man muss sich anpassen. Wie sieht in Zukunft eine Produktion aus? Wird sie in Europa ausgerichtet, was für Europa ein grosser Vorteil wäre? Es braucht nun Mut und Kreativität, um die Zukunft der Sport- und Freizeitbranche und deren Produktions- und Handelsketten neu zu gestalten. Diese Krise ist eine Chance, Versäumtes nachzuholen und schlechte Strukturen zu erneuern, Abhängigkeiten abzuschaffen und Prozesse weiter zu optimieren. Sofern dies angegangen wird und neu umgesetzt, geht die Branche als Sieger aus der Corona-Krise hervor.

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